Warum Diversity-Marketing so wichtig ist

Lange Zeit waren Vielfalt und Diversity mehr als Vorschlag für Unternehmen zu verstehen, der jedoch ohne Konsequenzen ignoriert werden konnte. Heute hat sich die Haltung vieler Konsument:innen geändert, sodass Diversity zu einem „Must-have“ geworden ist – besonders im Marketing. Sehen sich Kund:innen nicht durch das Unternehmen und die jeweilige Kommunikation repräsentiert, boykottieren sie unter Umständen das Unternehmen sogar. Eine Studie von Marketing Charts zeigt, dass knapp 40% ein Unternehmen als vertrauenswürdiger einstufen, wenn dieses Vielfalt in seine Marketingbotschaften einarbeitet. Auf der anderen Seite geben 34% der Befragten an, eine Marke nicht mehr zu unterstützen, da sie sich durch das Marketing nicht repräsentiert fühlen. Diversity-Marketing kann also einen enorm großen Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens haben. Was genau bedeutet Diversity-Marketing? Worauf muss geachtet werden? Diese und weitere Fragen wollen wir in diesem Blogbeitrag beantworten.

Was ist Diversity-Marketing?

Zu Beginn eine kleine Marketinglektion, um die Grundlagen von Diversity-Marketing darzulegen. Diversity-Marketing beschreibt eine Marketingstrategie, die verschiedene Gruppen anspricht und einbezieht. Dabei bezieht sie sich nicht auf eine einzelne Kampagne oder Botschaft, sondern auf die grundlegende Absicht und Motivation hinter der Marketingmaßnahme. Diversity trifft dabei auf vieles zu, wie beispielsweise sexuelle Orientierung, Ethnizität, Geschlecht, Religionszugehörigkeit oder Alter. Diese Gruppen sollten in einer Marketingmaßnahme oder -botschaft ausreichend repräsentiert sein. Menschen entwickeln leichter eine emotionale Bindung zu dem Unternehmen oder der Marke, was wiederum Auswirkungen auf das Konsumverhalten hat. Die Auswirkungen von gutem (oder schlechten) Diversity-Marketing sollten nicht unterschätzt werden.

Welche Auswirkungen hat es?

Im Marketing geht es heutzutage oft darum, die Kund:innen zu verstehen und ihnen dieses Gefühl auch zu vermitteln. Können sich Menschen mit der Botschaft identifizieren und sehen sich darin gespiegelt, sind sie gewillter, sich auf diese Botschaft einzulassen. Dennoch gibt es Personengruppen, die die Werbung größtenteils ignoriert, obwohl sie auch Teil der Gesellschaft – und damit potenziell Teil der Zielgruppe – sind. Meist geschieht dies unbewusst, da Menschen dazu tendieren, die ihnen bekannte Umgebung zu reproduzieren. Dadurch wird aber viel Potential verschenkt: 83% der Menschen nehmen Marketingkampagnen als positiv wahr, wenn sie die moderne Gesellschaft über die verschiedenen Gruppen hinweg abbilden. Der Studie von Marketing Charts nach beeinflusst Diversity-Marketing bei 62% der Konsument:innen die Wahrnehmung eines Unternehmens oder einer Marke. Weiterhin geben 58% der LGBTQI*-Community an, sich von einem Unternehmen oder einer Marke abgewendet zu haben, weil die jeweilige Marketingkommunikation sie nicht repräsentiert hat.

Schaut man auf Unternehmensseite, geben 88% der befragten Unternehmen an, dass ihnen mehr Diversity in der Werbung dabei helfe, ein besseres Brand Image aufzubauen. Gleichzeitig sehen auch 91% noch Verbesserungsbedarf in diesem Bereich. Auf Unternehmensseite ist der Wille zu mehr Diversity-Marketing also weitreichend vorhanden, aber augenscheinlich scheitert es bislang oft an der Umsetzung.

Worauf sollte man bei Diversity-Marketing achten?

Der größte Fehler ist, sich gar nicht erst mit dem Thema zu befassen oder sich sogar bewusst dagegen zu positionieren. So geschehen bei Barilla im Jahre 2013, die sich klar gegen die Darstellung homosexueller Familien in ihren Werbespots positioniert haben. Die „Barilla-Familie“ sei eine traditionelle Familie, in der die Frau die Rolle der fürsorglichen Mutter einnimmt. Dabei handelt es sich um einen Extremfall, der nun auch schon einige Zeit zurück liegt.

In den meisten Fällen scheitert Diversity-Marketing getreu dem Motto „stets bemüht“. So versuchen Marketers besonders witzig, schlagfertig oder einfühlsam zu sein, bedienen damit aber unbewusst meist nur kulturelle Stereotypen. Dadurch kehrt sich der intendierte Effekt der Werbebotschaft ins Gegenteil um – meist gefolgt von einem PR-Desaster. Oftmals wird im Diversity-Marketing nicht weit genug vorausgeplant oder keine richtige Strategie entwickelt. Eine ad hoc geplante Diversity-Kampagne wirkt häufig auch so, da sie nicht die Unternehmenskultur widerspiegelt. So kann eine noch so gute Idee schnell wie ein Boomerang zurückkommen.

Damit musste sich auch das US-Buchhandelsunternehmen Barnes & Noble auseinandersetzen, die im Zuge des Black History Month alten Klassikern ein neues Erscheinungsbild verpassen wollte. Ziel war es, Buchklassiker zu finden, bei denen die Hautfarbe der Protagonisten nicht spezifiziert ist, damit sich „Kids of Colour“ damit identifizieren können. Die folgende Empörungswelle hat dazu geführt, dass dieses Projekt nie umgesetzt wurde. Die Kritik reichte von dem verankerten Rassismus in den jeweiligen Büchern bis hin zur Anschuldigung des „Blackfacing“. Zumal keines der ausgewählten Bücher von einer Person of Colour (POC) verfasst wurde. Die Annahme liegt nahe, dass dieses PR-Desaster nicht passiert wäre, wären POC involviert gewesen, dabei waren vier POC direkt in die strategische Planung eingebunden. Es liegt also weniger an den Verantwortlichen, sondern in diesem Fall – wie auch in vielen anderen – an dem strategischen Marketingansatz. Dieser versagt bei einem so heiklen Thema wie Diversity und muss viel mehr von Empathie geprägt sein.

Ein weiterer Stolperstein für Diversity-Marketing ist das sogenannte Pinkwashing. Angelehnt an Begriffe wie Greenwashing, beschreibt Pinkwashing Marketingkampagnen oder -strategien, die ein Unternehmen als besonders weltoffen und divers darstellen. Dabei wird vor allem die Gleichberechtigung von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten hervorgehoben, beispielsweise durch die Teilnahme am Christopher Street Day oder das Einfärben der Logos in Regenbogenfarben zum Pride Month im Juni. Die tatsächliche Haltung der Unternehmen oder die Situation in selbigen sieht aber meist anders aus. Das heißt nicht, dass eine Teilnahme am Christopher Street Day per se eine schlechte Idee ist, sie sollte aber in das Bild und die gesamte Kommunikation des Unternehmens passen. Denn auch wenn ein Unternehmen aktiv und ehrlich Diversity-Marketing betreibt, reicht einmal im Jahr nicht aus.

Schafft man es aber, diese Hindernisse zu umschiffen, kann man sich direkt in einem Nischenmarkt positionieren und dort loyale und meist treue Kunden gewinnen. Insgesamt stellt (gutes) Diversity-Marketing eine Win-Win-Situation für Unternehmen dar.

Wie macht man Diversity-Marketing richtig?

Einer der ersten und wichtigsten Schritte für erfolgreiches Diversity-Marketing ist, sich und seine Mitarbeiter:innen zu informieren. Das heißt nicht nur, dass man sich ausführlich mit der Zielgruppe auseinandersetzt, sondern darüber hinaus auch mit tiefergreifenden Aspekten, wie zum Beispiel Ethnizität, Herkunft oder Alter. Um noch einen Schritt weiterzugehen, könnte eine Person als Diversity-Beauftragte:r installiert werden und als „Stimme der Vernunft“ beratend agieren. Dabei sollte stets darauf geachtet werden, dass die eigene Wahrnehmung größtenteils zurückgestellt wird. Eine Idee sollte von so vielen Standpunkten und Sichtweisen wie möglich betrachtet werden. Könnte sie dabei von nur einer Gruppe missverständlich oder gar verletzend aufgefasst werden, sollte sie überdacht werden.

Um nah an der Zielgruppe zu bleiben und wenig Potential für Missverständnisse aufkommen zu lassen, ist ein regelmäßiger Austausch wichtig. Marktforschung ist dabei von sehr großer Bedeutung, denn so lässt sich am besten herausfinden, was bei der Zielgruppe am besten ankommt. Konkrete Ideen können dann zielgerichtet getestet werden beispielsweise im Rahmen einer Fokusgruppe mit acht bis zwölf Teilnehmer:innen. So lässt sich leicht herausfinden, was diese bewegt und was sie abschreckt. Auch Faktoren, die zu einer Kaufentscheidung führen, können so genau herausgefunden werden. Unternehmen, die Diversity-Marketing betreiben wollen, müssen ihre Konsument:innen individuell verstehen und ihnen das Gefühl geben, gehört zu werden. Ein Herunterbrechen der Zielgruppe auf eine „Buyer Persona“ ist dabei kein adäquater Ansatz, denn er reflektiert nicht die Breite der Gesellschaft, sondern befasst sich mit dem Durchschnitt. Es gehen dabei viele Hintergründe verloren, sodass sich einige Personen nicht ausreichend oder gar nicht repräsentiert fühlen.

Ein weiterer Faktor, die Zielgruppe adäquat zu erreichen, ist, Diversität in das Marketing- und Strategie-Team zu bringen. Das sollte nicht nur hinsichtlich beispielsweise Geschlecht, Ethnizität, Herkunft oder sexueller Orientierung geschehen, sondern auch hinsichtlich Alter und Erfahrung. So kommen viele verschiedene Sichtweisen zusammen. Ein diverser Input führt zu anderen, vollkommen einzigartigen Ideen. Dabei – so wie in jedem anderen Schritt eines Diversity-Marketingansatzes auch – sollte stets auf Authentizität geachtet werden. Denn wie im vorigen Absatz bereits festgehalten, kann die Idee noch so gut sein, wenn sie nicht zum wahrgenommenen Image des Unternehmens passt, kann sie sich schnell ins Negative kehren.

Alles in allem verlangt gutes, strategisches und erfolgreiches Diversity-Marketing vor allem eins: Zeit! Das Marketing-Team muss jede kulturelle Nuance verstehen, Hintergründe recherchieren und großflächige Marktforschung betreiben, um den Erfolg des Diversity-Ansatzes sicherzustellen. Damit wird auch klar, warum Diversity-Marketing keine einmalige Kampagne meint. Es ist ein Ansatz, den das Unternehmen oder die Marke in jedem Bereich vertreten muss. Das zieht nicht nur mehr (loyale) Kund:innen an und steigert Absätze, sondern fördert auch die Produktivität im Team. Zudem kann es ein ausschlaggebender Faktor bei der Akquise neuer Talente sein – ist also auch für das Personalmanagement wünschenswert. Darüber hinaus erfüllt Diversity-Marketing aber auch einen gesellschaftlichen Zweck, denn es fördert die Integrität von Minderheiten. Werbung und Marketing stellen schließlich eine Spiegel der Gesellschaft dar und haben so auch einen großen Einfluss auf selbige.

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